Wie würde sich eine höhere Besteuerung der Energie auswirken?

Kurzfristig hätte eine höhere Besteuerung der Energie keine Auswirkungen auf den Verbrauch. Langfristig gesehen aber würde sie eine massive Verringerung der Energienachfrage und der CO2-Emissionen ermöglichen. Eine solche Abgabe könnte aber die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen und den Lebensstandard finanzschwacher Haushalte beeinträchtigen.

Der Energieverbrauch in der Schweiz scheint kaum auf den Energiepreis zu reagieren – weder bei Treibstoffen, noch bei Brennstoffen oder Strom. So schwankt der Preis für ein Barrel Rohöl seit 1990 zwischen 10 $ und 120 $, ohne dass dies eine spürbare Auswirkung auf den Verbrauch hätte. Diese Situation wird durch die Tatsache verstärkt, dass der Anteil der Energie im Budget der Haushalte und der Industrie in den letzten 50 Jahren immer mehr zurückgegangen ist und heute in den Schweizer Haushalten durchschnittlich bei nur mehr 3% liegt.

Man muss aber zwischen kurz- und langfristigen Auswirkungen einer Änderung der Energiepreise unterscheiden. Kurzfristig wird davon ausgegangen, dass ein Preisanstieg von 10% der verschiedenen Energieträger zu einem Nachfragerückgang von nur 0,8% bei den Treibstoffen und 2% beim Strom führt. Wird diese Preiserhöhung von 10% hingegen langfristig beibehalten, so führt sie zu einem Nachfragerückgang von 3% bei den Treibstoffen und 6% beim Strom. Es gilt auch, zwischen einer Änderung des Marktpreises und einer mit der Einführung einer Abgabe verbundenen Erhöhung zu unterscheiden. Die Auswirkung einer Abgabe auf die Nachfrage ist viel grösser, weil die Verbraucher wissen, dass es sich um eine dauerhafte Massnahme und nicht um eine temporäre Preisschwankung handelt, was Verhaltensänderungen auslösen kann.

Die Einführung einer viel höheren Besteuerung der Energie sollte also langfristig einen wichtigen Lenkungseffekt haben. Eine solche Steuer würde Investitionen zugunsten der Energieeffizienz und der Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien stark fördern, deren Rentabilität mit dem Energiepreis steigt. Energieeffizienzmassnahmen in der Industrie sowie die Tendenz, treibstoffsparendere Autos zu kaufen, hätten ebenfalls direkte Auswirkungen. Die Wirkung auf die Sanierungsquote der Gebäude bleibt aber unsicher, solange die Investitionskosten von den Eigentümern getragen werden und die Mieter von den gesunkenen Energierechnungen profitieren [→ F82].

Genau eine solche allgemeine Energiesteuer ist im Rahmen der für 2021 vorgesehenen ökologischen Steuerreform geplant. Die Höhe dieser Steuerwurde wurde noch nicht festgelegt, jedoch wird ein Betrag von 26 Rappen pro Liter fossilen Treibstoffes erwähnt. Zudem weisen Simulationen des Eidgenössischen Finanzdepartements darauf hin, dass eine Erhöhung des Preises für einen Liter Benzin auf 5 Franken und des Strompreises um 50% bis zum Jahr 2050 eine Senkung der CO2-Emissionen um bis zu 63% und eine Senkung des Stromverbrauchs um 25% bewirken würde, was etwa der Hälfte der derzeitigen Produktion unserer Kernkraftwerke entspricht.

Eine Steuer von so grosser strategischer Bedeutung kann wahrscheinlich nur im Rahmen einer internationalen Koordination und Harmonisierung eingeführt werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen geschwächt wird. Ausserdem muss noch ihre Auswirkung auf die Haushalte evaluiert werden. Eine zusätzliche Steuer auf ein Bedarfsgut wie Energie könnte in erster Linie Menschen mit geringem Einkommen treffen. Es ist oft schwierig, den Energieverbrauch zu senken, wenn man sowieso schon relativ wenig davon verbraucht, und der Anteil der Energie in finanzschwachen Haushalten kann sehr viel höher sein, als in jenen Haushalten, die über höhere Budgets verfügen. Die Situation der „Energiearmut“ (oder Energieprekarität) soll bereits in mehreren europäischen Ländern Realität sein. In Frankreich sollen sich gemäss dem nationalen Observatorium für das Energieprekarität 5 Millionen Haushalte in einer Situation der „Energieprekarität“ befinden. In Deutschland, wo der Strompreis in 5 Jahren um 33% gestiegen ist und im Jahr 2014 bei 35 Rappen pro kWh lag, spricht man von ca. 350‘000 Haushalten, denen im Jahr 2012 aufgrund von unbezahlten Rechnungen der Strom abgestellt wurde. Es steht aber bis dato nicht fest, inwieweit die steigenden Energiepreise für die Anzahl der nicht bezahlten Rechnungen verantwortlich sind. Es ist daher angebracht, diese Zahlen in ein allgemeines sozioökonomisches Umfeld einzubetten, insbesondere jenes der Wirtschaftskrise, und keine zu schnellen Schlussfolgerungen zu ziehen. Was die einen „Energieprekarität“ nennen, ist vielleicht nichts anderes als ein „Prekarität“ als solches.

Quellen

EconomieSuisse, Fédération des entreprises suisses (2012)
(). Efficacité énergétique: une étude montre la contribution réaliste que peut apporter l’économie.
European Commission (2019)
(). EU emissions trading system (EU ETS). [Online]. Available at: https://ec.europa.eu/clima/policies/ets_en.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2013)
(). Message sur la Stratégie énergétique 2050: aperçu des objectifs et des mesures (Feulle d’information).
Office fédéral de l’environnement (OFEV) (2019)
(). Taxe sur le CO2. [Online]. Available at: www.bafu.admin.ch/bafu/fr/home/themes/climat/info-specialistes/politique-climatique/taxe-sur-le-co2.html.
RTS (2019)
(). Le prix du carbone explose sur le marché d’échange européen. [Online]. Available at: www.rts.ch/infomonde/10638326-le-prix-du-carbone-explose-sur-le-marche-d-echange-europeen.html.
Wirtschaft Woche - Zahl der Stromperren (2014)
(). 345'000 Menschen wurde der Strom abgestellt. [ONLINE]. Available at: www.wiwo.de/unternehmen/energie/zahl-der-stromsperren-345-000-menschen-wurde-der-strom-abgestellt-/11019934.html.
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