Wie sehen die Grundoptionen des Kernenergieausstiegs aus?

Die Schweiz setzt für den Atomausstieg auf vier einander ergänzende, strategische Optionen. Drei davon bestehen darin, die 25 TWh Atomstrom durch andere Stromquellen zu ersetzen: in der Schweiz produzierter Strom aus erneuerbaren Quellen (Option „Erneuerbare“), Bau von Gaskraftwerken in der Schweiz (Option „Gaskraftwerke“) und Stromimport (aus erneuerbaren Quellen oder nicht) aus dem Ausland (Option „Import“). Die vierte Option strebt eine Reduzierung des Stromverbrauchs durch Energieeffizienzmassnahmen an (Option „Energieeffizienz“).

In Bezug auf die Option „Erneuerbare“ könnte der Ausbau erneuerbarer Stromquellen schlussendlich 24 TWh Strom liefern [→ F63]. Für diesen Ausbau bedarf es bedeutender Anpassungen der Strominfrastruktur, um die Einspeisung ins Netz und die Speicherung von grünem Strom aus Sonnenenergie sicherzustellen. Ausserdem muss es gelingen, das Potenzial der Stromerzeugung aus Windkraft, Biomasse und Kleinwasserkraft auszuschöpfen und gleichzeitig die Tiefengeothermie voranzutreiben. Diese Option setzt auch voraus, dass man die Wärme aus erneuerbaren Quellen nutzt, insbesondere mit Biomasse und durch die Nutzung der Umgebungswärme (mit Wärmepumpen), um so die Wärmeproduktion der Elektro-Direktheizungen zu ersetzen.

Die Option „Gaskraftwerke“ könnte theoretisch relativ rasch umgesetzt werden. Diese Kraftwerke wären aber unter den gegenwärtigen Strommarktbedingungen nicht rentabel, was es unwahrscheinlich macht, dass sich Investoren für solche Anlagen finden. Diese mangelnde Rentabilität erklärt sich aus mehreren Faktoren, insbesondere den derzeit sehr niedrigen Strompreisen und der gesetzlichen Verpflichtung für die Betreiber dieser Gaskraftwerke, die Gesamtheit ihrer CO2-Emissionen zu kompensieren, die Hälfte davon in der Schweiz [→ F89]. Die dezentralen, erdgasbetriebenen Wärmekraftkopplungsanlagen (wie die Brennstoffzellen) stellen eine sehr interessante Alternative zu Gas-Grosskraftwerken dar, insbesondere aus Energieeffizienzsicht.

Die Option „Import“ würde unsere Energieunabhängigkeit verringern – ohne langfristige Garantie stabiler Preise oder einer sicheren Versorgung. Es wäre auch möglich, in Kraftwerke im Ausland zu investieren, was aber im Fall von Energieknappheit die Versorgungssicherheit überhaupt nicht stärken würde [→ F88].

Die Option „Energieeffizienz“ weist im Jahr 2050 ein Reduktionspotenzial unserer Stromnachfrage von etwa 16 TWh auf – im Vergleich zu einer Entwicklung ohne Effizienzmassnahmen (die Stromnachfrage wird aufgrund der allgemein fortschreitenden Elektrifizierungweiter steigen) [→ F8]. Diese Option ist aus wirtschaftlicher Sicht interessant, weil es oft kostengünstiger ist, den Verbrauch einer kWh zu vermeiden, als sie zu produzieren – aber auch aus strategischer Sicht, weil sie es ermöglicht, unsere Energieunabhängigkeit zu stärken. Angesichts der langsamen Geschwindigkeit, mit der Infrastrukturen und Anlagen ersetzt werden, kann es eine gewisse Zeit brauchen, bis diese Massnahmen ihre Wirkung entfalten.

Diese vier strategischen Grundoptionen schliessen sich auf keinen Fall gegenseitig aus. Im Übrigen kombiniert sie der Bundesrat in seiner Energiestrategie 2050 und spricht von vier strategischen Stossrichtungen. Diese Strategie des Bundesrates empfiehlt, prioritär das Potenzial der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien zu nutzen und dann, wenn dies nicht genügt, auf den Zubau von Gaskraftwerken und auf Importe zurückzugreifen [→ F86]. Andere zugrundeliegende Stossrichtungen sind ebenfalls untrennbare Bestandteile der Energiestrategie des Bundes, und zwar die Entwicklung des Stromnetzes, die Energiespeicherung, die Intensivierung der Energieforschung, die Steigerung der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand oder auch die Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit.

Alle diese strategischen Optionen zielen darauf ab, die Qualität des Energieangebots auszubauen oder zu verbessern. Wir können natürlich auch eine Reduktion unseres Stromverbrauchs anstreben, nicht durch Energieeffizienzmassnahmen, sondern indem wir gemäss dem Prinzip der Energiesuffizienz unsere Nachfrage drosseln (indem wir weniger konsumieren!). Auch wenn durch solche Massnahmen allein, unser Verbrauch nicht drastisch reduziert wird, handelt es sich dennoch um ein wesentliches strategisches Element, um damit die unerlässliche Entwicklung einer „Kultur des massvollen Umgangs mit Energie“ zu fördern [→ F99].

Quellen

EconomieSuisse, Fédération des entreprises suisses (2012)
(). Efficacité énergétique: une étude montre la contribution réaliste que peut apporter l’économie.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2018)
(). Statistique suisse de l’électricité 2018. OFEN.
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