Wie gross ist das Potenzial der Solarenergie in der Schweiz?

Dieses Potenzial ist riesig! Wenn wir uns entscheiden, auf allen gut exponierten Dächern und Fassaden Photovoltaikpanels und Solarkollektoren zu montieren, können wir im Jahr 2050 unseren gesamten jährlichen Warmwasserbedarf, einen bedeutenden Anteil unseres Heizbedarfs und fast 40% unseres Stromverbrauchs decken.

In der Schweiz wird die Gesamtfläche der verfügbaren und bezüglich der Sonneneinstrahlung gut exponierten Flächen auf 140 km2 Dächer und 55 km2 Fassaden geschätzt. Die durchschnittliche jährliche Sonneneinstrahlung auf diese Flächen beläuft sich auf etwa 200 TWh. Das entspricht beinahe dem gesamten Energieverbrauch der Schweiz [→ F6]. Natürlich kann nicht die gesamte Einstrahlung in nutzbare Energie (Endenergie) umgewandelt werden, weil man den begrenzten Wirkungsgrad der verwendeten Technologien berücksichtigen muss. Wenn man 20% der Gesamtfläche mit thermischen Kollektoren (für die Warmwassererzeugung) und die 80% der restlichen Flächen mit Photovoltaikpanels (für die Stromerzeugung) bedeckt, könnten wir also gleichzeitig und unter Berücksichtigung der heute verfügbaren Technologien:

  • den gesamten Bedarf an Brauchwarmwasser und Warmwasser für die Industrie (13 TWh pro Jahr) abdecken;
  • 9 TWh Wärme pro Jahr produzieren, was 20-30% unseres Heizbedarfs im Jahr 2050 abdecken würde;
  • 24 TWh Strom pro Jahr produzieren, das sind je nach betrachtetem Szenario zwischen 35 und 45% des für 2050 erwarteten Verbrauchs.

In der Praxis wird es aufgrund der verschiedenen Installationsbeschränkungen nicht möglich sein, auf allen verfügbaren Flächen Solarkollektoren- bzw. Panele zu montieren. Man schätzt daher, dass realistischerweise nur die Hälfte dieses Solarstrompotenzials wirklich genutzt werden kann, d. h. 12 TWh/Jahr bei Betrachtung der derzeitigen Technologien.

Der Wirkungsgrad der thermischen Solarkollektoren weist noch einen gewissen Verbesserungsspielraum auf, insbesondere jener der Vakuumkollektoren. Das Hauptpotenzial für eine Verbesserung des Wirkungsgrads liegt aber bei den Photovoltaiktechnologien (Umwandlung der Sonneneinstrahlung in Strom). Sie könnte von derzeit durchschnittlich 16% auf 25% im Jahr 2035 ansteigen, was eine Erhöhung des Photovoltaik- Potenzials um mehr als 50% ermöglichen würde. Man kann daher hoffen, bis zu diesem Zeitpunkt eine Produktion von 18 TWh zu erreichen, was ¾ unserer momentanen Atomstromproduktion (25 TWh) entspricht.

Die jahreszeitlichen Schwankungen der Sonneneinstrahlung stellen einen stark begrenzenden Faktor dar: Die Wärme- und Stromerzeugung unserer Dächer ist im Dezember und Januar fast fünfmal niedriger als im Juni und Juli (bei Solarflächen auf Fassaden ist der Unterschied deutlich weniger ausgeprägt). Je nach Ausrichtung der Kollektoren bzw. Panele, kann also ein grosses jahreszeitliches Ungleichgewicht zwischen der Solarenergieproduktion – die ihren Höchststand im Sommer erreicht – und unserem Energiebedarf – der im Winter am höchsten ist, entstehen. Unsere Solarenergieproduktion könnte im Sommer sogar einen Überschuss erzielen. Wenn wir das Solarenergiepotenzial der Schweiz vollständig nutzen wollen, muss es uns also gelingen, diese Energie durch die Entwicklung von Lösungen zur „saisonalen Speicherung“ bis zum folgenden Winter aufzubewahren. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die Solarenergie insbesondere zur Erzeugung synthetischer Brennstoffe wie z. B. Wasserstoff oder Methanol verwendet werden [→ F74].

Sowohl thermische als auch photovoltaische Solaranlagen haben den doppelten Vorteil, dass sie keinerlei Bodenfläche nutzen und auch nur eine sehr geringe Auswirkung auf die Landschaft haben, zumindest dann, wenn sie auf Gebäuden eingesetzt werden. Sie werden darum von der Bevölkerung – im Gegensatz zu Wind- oder Wasserkraftwerken – gut akzeptiert. Allerdings ist es nicht sicher, dass Projekte mit grossen Solarfeldern (wie in Deutschland und seltener in der Schweiz) vom selben zustimmenden Konsens profitieren. Die Schweiz verfügt allerdings über Flächen, die kaum von landschaftlichem oder architektonischem Wert sind, wie die Autobahnen und Bahnlinien, von denen gewisse Abschnitte also sehr gut mit Photovoltaikpanelen bedeckt werden könnten, wodurch die nutzbare Fläche bedeutend vergrössert werden könnte.

Schliesslich haben die Photovoltaikpanele eine lange Lebensdauer von mehr als 30 Jahren. Entgegen gewisser Vorurteile genügen ein bis drei Jahre Stromerzeugung zur Kompensation der „grauen Energie“, d. h. der Erzeugung von Energie, die für ihre Herstellung aufgewendet wurde.

Quellen

Gutschner, Marcel and Gnos, Stephan and Nowak, Stefan (NET Nowak Energie & Technologie AG) (2010)
(). Potenzialabschätzung für sonnenkollektoren im wohngebäudepark - regionalstudie wohngebäudepark des kantons freiburg und reevaluation des potenzials in der stadt zürich. Office fédéral de l'énergie (OFEN).
IEA Photovoltaic Power Systems Programme (PVPS) (2002)
(). Potential for building integrated photovoltaics - report IEA - PVPS t7-4 : 2002 (summary). International Energy Agency (IEA).
International Energy Agency (IEA) (2019)
(). Renewables information: overview.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2013)
(). Perspectives énergétiques 2050.
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