Wie beeinflusst die Politik der Europäischen Union unsere Energiestrategie?

Die Europäische Union (EU) übt einen massgeblichen Einfluss auf die Schweiz aus, insbesondere in den Bereichen Verkehr, Strom und Energieeffizienz. Ob sie es will oder nicht: Die Schweiz muss im Rahmen ihrer eigenen Energiestrategie auch die europäische Energieund Klimaschutzpolitik berücksichtigen.

Unsere Politik wird insbesondere durch die drei folgenden Elemente der EU-Politik beeinflusst: ihre Ziele für die Reduzierung der Treibhausgase, für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für die Erhöhung der Energieeffizienz.

Die Marktpreise für Strom sind in Europa derzeit sehr tief. Diese Situation begrenzt unsere Optionen für den Atomausstieg, weil unter solchen Marktbedingungen keine Alternative wettbewerbsfähig ist. So macht es momentan wirtschaftlich keinen Sinn, Gaskraftwerke oder neue Wasserkraftwerke zu bauen.

Die Ziele der EU in Bezug auf die Reduzierung der Treibhausgase haben aber eine entscheidende Wirkung auf die Strommarktpreise. Je ehrgeizigere Klimaziele die EU verfolgt, umso mehr wird der Marktpreis der CO2-Emissionen ansteigen. Folglich werden die Strompreise steigen, da ein bedeutender Teil des europäischen Stroms aus Kohlekraftwerken kommt, die sehr viel CO2 ausstossen [→ F83].

Die EU hat sich das verbindliche Ziel gesetzt, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 40% zu reduzieren. Dieses ehrgeizige Ziel der EU ist nicht nur eine gute Nachricht für das Klima, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wasserkraftwerke! [→ F70]

Die EU hat sich zudem dazu entschieden, bis 2020 20% ihres Verbrauchs durch erneuerbare Energien abzudecken (die Hälfte davon im Verkehrssektor). In ihrem Energiefahrplan ist sogar von 55% bis zum Jahr 2050 die Rede. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der erneuerbare Strom heute von den EU-Mitgliedstaaten (wie übrigens auch in der Schweiz) massiv subventioniert. Auch dies hat einen sehr grossen Einfluss auf die europäischen Strommarktpreise und damit auf unsere strategischen Optionen. Diese massive Unterstützung des unregelmässigen erneuerbaren (Windund Solar-)Stroms bietet interessante wirtschaftliche Möglichkeiten für die Schweiz: Einerseits profitiert die Schweiz von den Kostensenkungen der Technologien aufgrund ihres Aufschwungs in Europa (die Photovoltaik ist heute insbesondere dank Deutschland so billig); andererseits könnte die Schweiz ihre – auf ihren Pumpspeicherwerken und den alpinen Speicherseen beruhenden – Speicherkapazitäten nutzen. Natürlich nur dann, wenn Europa akzeptiert, die Schweiz in ihr Stromnetz zu integrieren [→ F71]

Der Einfluss der EU zeigt sich auch im Verkehrsbereich. Es wäre illusorisch für die Schweiz zu versuchen, die Elektromobilität im Alleingang – ohne ein Mitziehen der EU – in grossem Massstab zu entwickeln. Ohne europäischen Massenmarkt werden Elektrofahrzeuge in der Schweiz nicht verfügbar sein oder ihr Kaufpreis wird im besten Fall zu hoch bleiben und Fahrten im Ausland wären schwierig, wenn es dort keine Infrastruktur für das Aufladen ihrer Batterien gibt. Auch bei den Treibstoffen bestimmt die EU den Markt. Um ihr Ziel von 10% erneuerbarer Energie im Verkehr bis zum Jahr 2020 zu erreichen, setzt die EU im Wesentlichen auf Biotreibstoffe. An den europäischen Tankstellen findet man bereits 5-10% Biotreibstoffe, die den Standard-Treibstoffen beigemischt sind, eine Zahl, die bis 2025 stark ansteigen könnte. Folglich wird es immer schwieriger für die Schweiz, sich mit reinen, traditionellen Treibstoffen (Benzin, Diesel) zu versorgen, unabhängig davon, ob sie die Biotreibstoffe unterstützen will oder nicht.

In Bezug auf die Energieeffizienz schliesslich sieht es so aus, dass in der Schweiz im Grossen und Ganzen nur jene Geräte (Elektrogeräte, Elektronik, Lampen, Fahrzeuge, Heizkessel, Elemente des „Smart Grid“ usw.) verkauft werden können, die auch auf dem europäischen Markt verfügbar sind. Welche das sind, hängt wiederum direkt von den von der EU definierten Normen und Vorschriften ab. Es ist daher nicht erstaunlich, dass sich die Schweiz praktisch systematisch an diese Normen anpasst.

Da die Energiemärkte und Energietechnologien auf europäischer Ebene weitgehend harmonisiert sind und auch die Übertragungs- und Verteilsysteme auf europäischer Ebene sehr vernetzt sind, ist es schwierig für die Schweiz, in diesem Bereich (wie in anderen Bereichen) im Alleingang zu handeln. Die Schweiz muss daher die von der Europäischen Union festgelegten Rahmenbedingungen berücksichtigen, um die Relevanz und Dauerhaftigkeit ihrer Entscheidungen in der Energiepolitik sicherzustellen.

Quellen

European Commission (2019)
(). The 2020 climate and energy package. [Online]. Available at: https://ec.europa.eu/clima/policies/strategies/2020_en.
European Commission (2019)
(). COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE EUROPEAN COUNCIL, THE COUNCIL, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONSThe European Green Deal.
European Commission (2014)
(). EU gears up for 2030 with more emissions reductions (Press release).
Swiss ENERGYScope (2019)
(). Swiss-energyscope. [Online]. Available at: https://www.energyscope.ch/.
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