Welche Risiken gehen wir ein, wenn wir nicht schnell genug handeln?

Je länger wir zuwarten, bevor wir uns für einen einzuschlagenden Weg entscheiden, desto weniger Optionen haben wir zur Auswahl und es besteht die Gefahr, dass die Gesamtkosten der Energiewende sehr hoch ausfallen. Energiesysteme weisen im Allgemeinen eine grosse Trägheit auf und die verschiedenen möglichen Optionen können nicht alle mit derselben Geschwindigkeit umgesetzt werden. Einige brauchen länger als andere.

Die Umsetzung der Energieeffizienzmassnahmen braucht relativ viel Zeit, weil sie von der Ersatzrate unserer energieverbrauchenden Geräte und Anlagen abhängt: Elektrogeräte (5-10 Jahre), Autos (12 Jahre), Heizsysteme (20 Jahre) oder Gebäudesanierung (30-50 Jahre).

Die grossflächige Verbreitung der Technologien für die Nutzung der erneuerbaren Energien wird ebenfalls Zeit in Anspruch nehmen – in der Schweiz etwa 20 bis 30 Jahre. Für den vollständigen Ausbau der erneuerbaren Energien müssen hunderttausende Systeme installiert werden, die behördlich genehmigt werden und manchmal auch rechtliche Verfahren durchlaufen müssen.

Der Ausbau der Solarenergie (für Wärme oder Strom) könnte relativ rasch erfolgen. Die Situation für Windund Kleinwasserkraft ist aufgrund eventueller Einspruchsverfahren schwieriger [→ F48]. Der Verkauf von Wärmepumpen geht seit 2008 zurück und die Tiefengeothermie ist noch nicht ausgereift [→ F61].

Das Stromnetz muss ausgebaut werden und an den starken Ausbau neuer dezentraler Energiequellen angepasst werden [→ F67]. Schliesslich besteht eine der zentralen Herausforderungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Ausarbeitung neuer Lösungen für die Stromspeicherung.

Gaskraftwerke hingegen könnten viel schneller gebaut werden – in einem Zeitraum von 2-3 Jahren pro Kraftwerk. Ausserdem können jederzeit die Importe hochgefahren und vom europäischen Markt Strom bezogen werden. Diese Option hat den Vorteil, dass – abgesehen vom Ausbau der Übertragungslinien an den Grenzen – keinerlei neue spezifische Infrastrukturen entwickelt werden müssen – weder Kraftwerke, noch Netzanpassungen.

Die Zeiträume für die Umsetzung dieser verschiedenen Optionen sind also sehr unterschiedlich lang und zu einem gewissen Grad unsicher. Die Fristen für unsere Energiewende sind hingegen bekannt: Gestaffelte Stilllegung unserer Kernkraftwerke ab 2019, ehrgeizige Verpflichtung zur Reduzierung unserer Treibhausgase bis 2020. Parallel dazu laufen unsere Stromimportverträge mit Frankreich zwischen 2018 und 2035 aus. Es bleibt also nur noch begrenzt Zeit. Je zögerlicher wir vorgehen, desto weniger können erneuerbare Energien und Energieeffizienz zur Energiewende beitragen, weil ihr Ausbau nur mit einer gewissen Geschwindigkeit erfolgen kann. Anders gesagt: Je mehr wir mit der Entwicklung dieser Lösungen zuwarten, desto mehr werden wir gezwungen sein, für unsere Stromversorgung auf Gaskraftwerke und Importe zurückzugreifen.

Verspätete Entscheidungen können auch zu höheren Kosten führen. Wenn sich z. B. die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz aufgrund mangelnden politischen Willens zu spät entwickeln, könnte die Anzahl der Gaskraftwerke steigen. Die Rentabilität dieser Gaskraftwerke wäre aber stark eingeschränkt, weil sie früher oder später infolge des Ausbaus der Erneuerbaren und der Energieeffizienz immer weniger genutzt werden.

Schlussendlich werden die Gesamtkosten der Energiewende wahrscheinlich 0,9% unseres BIP ausmachen. Der Klimawandel könnte aber bedeutend höhere Kosten verursachen. Die Europäische Union schätzt sie auf 1,8% ihres BIP (im Jahr 2100), ein Wert, der in der Schweiz nicht viel anders ausfallen wird. Untätig zu bleiben kommt also potenziell doppelt so teuer, als proaktiv zu handeln.

Quellen

Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2013)
(). Perspectives énergétiques 2050.
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