Welche Perspektiven hat das Wasserstoffauto in der Schweiz?

Das Wasserstoffauto könnte mittelfristig eine Rolle in der Energiewende spielen: Es ist sehr energie-effizient, stösst vor Ort keinerlei Schadstoffe aus und kann einen Beitrag zur massiven Reduzierung der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors leisten, wenn der Wasserstoff mit erneuerbaren Energieträgern produziert wird. Ausserdem ist die Brennstoffzelle gut für grosse Autos bzw. gar Nutzfahrzeuge (Bus, LKW) geeignet. Es scheint also eine gute Ergänzung zum Elektroauto zu sein, das eher den Markt der kleinen städtischen Autos anvisiert.

In der Mobilität dient Wasserstoff zur Speisung einer Brennstoffzelle. Hierbei handelt es sich um ein elektrochemisches System, in dem aus Brennstoff (in diesem Fall Wasserstoff – Strom und Wasser erzeugt werden. Die Entwicklung dieser Technologie hat Jahrzehnte in Anspruch genommen, aber die Brennstoffzellen sind heute tatsächlich da. Ihr weltweiter Verkauf ist im Jahr 2013 auf fast 70‘000 Stück gestiegen – ca. 2‘700 davon im Verkehrsbereich (Busse, Gabelstapler, Nutzfahrzeuge). Heute wird von den Brennstoffzellenherstellern v. a. der Automarkt anvisiert – aufgrund des vorhersehbaren Wachstums dieses Marktes und der Notwendigkeit für diesen Sektor, seine Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Autos mit Brennstoffzellen sind zwar noch im Prototyp- Stadium, die Bewegung scheint aber in Gang gekommen zu sein. Zahlreiche Autohersteller – darunter Daimler, Honda, Toyota und Hyundai – sehen zwischen den Jahren 2015 und 2017 die ersten Verkäufe vor. Angesichts ähnlicher Ankündigungen in den 1990er Jahren – die sich nicht konkretisiert haben – scheint allerdings ein vorsichtiger Optimismus angebracht. Die Bedingungen scheinen heute günstiger zu sein. Einerseits ist die Technologie der Brennstoffzelle viel ausgereifter. Zum anderen gab es Ende 2014 bereits 120 Wasserstofftankstellen, zwei davon in der Schweiz. Bis 2030 sollten im Rahmen der europäischen „H2Mobility“–Initiative – an der die Schweiz beteiligt ist – hunderte weitere entstehen. In den Vereinigten Staaten und Japan gibt es bereits ähnliche Programme.

Das zentrale Problem von Fahrzeugen mit Brennstoffzellen bleibt die Herkunft des Wasserstoffs. Die Industrie (Erdöl- und Nahrungsmittelindustrie, Metallurgie usw.) verbraucht jedes Jahr 3 Millionen Tonnen Wasserstoff, der ausschliesslich mit Kohle und Erdgas produziert wird. Wenn der Wasserstoff für die Autos aus denselben fossilen Quellen stammen würde, wird es schwierig, die massive Ausbreitung dieser Technologie zu rechtfertigen, weil der Wille zur Senkung der CO2- Intensität des Verkehrs genau eines der Hauptargumente zugunsten der Brennstoffzellenautos ist. Der Wasserstoff für den Verkehr müsste auf alle Fälle aus erneuerbaren Quellen stammen, sonst macht die Verwendung von Wasserstoff im Verkehr keinen Sinn.

Es besteht allerdings eine potenziell sehr vielversprechende Synergie zwischen der Versorgung der Autos mit Wasserstoff auf der einen und der Produktion von Wind- und Solarstrom auf der anderen Seite. In Zeiten der Überschussproduktion dieses erneuerbaren Stroms [→ F11], kann man diesen eben genau dadurch verwerten, indem er für die Elektrolyse von Wasser verwendet wird. Bei der Elektrolyse wird Strom in Wasser geleitet, um es in seine zwei molekularen Bestandteile – Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2) – zu spalten. So wird der Wasserstoff gewonnen, den das Brennstoffauto so dringend braucht. Dieser Wasserstoff wird in der Brennstoffzelle genutzt, um wieder Strom und Wasser zu erzeugen. Es handelt sich hierbei um erneuerbaren Wasserstoff, weil der verwendete Strom erneuerbar ist. Für dieses Verfahren wird üblicherweise der englische Ausdruck „Power to Gas“ verwendet [→ F74].

Die Verbreitung der Brennstoffzellenautos stösst noch auf zahlreiche Hindernisse, allen voran ihr unerschwinglicher Preis. Ebenfalls stellt die Fahrzeugsicherheit eine erhebliche Herausforderung dar, weil Wasserstoff ein sehr leicht entzündliches Gas ist. Ausserdem ist die Entwicklung einer spezifischen Infrastruktur für die Verteilung und das Tanken des Wasserstoffes notwendig, was sehr kostspielig ist. Die umfassende Entwicklung der Wasserstoffmobilität wird wahrscheinlich gemeinsame und koordinierte Aktivitäten zweier traditionellerweise getrennter industrieller Sektoren erfordern: der Autohersteller und der Gasunternehmen. Das Ganze muss eng von regionalen und nationalen Regierungen gelenkt werden: Sie müssen die Rahmenbedingungen festlegen, die eine Entwicklung des Marktes ermöglichen. In diesem Bereich kann die Schweiz nicht im Alleingang handeln, sondern wird von Entscheiden der Europäischen Union abhängig sein, wie und wann diese Technologie gefördert wird [→ F89].

Es braucht also Zeit für die Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen. Zahlreiche Szenarien rechnen gleichwohl mit weltweit zehntausenden Wasserstofffahrzeugen im Jahr 2020. Die Internationale Energieagentur geht in ihrem Szenario für die Begrenzung der weltweiten Klimaerwärmung auf unter 2 °C sogar von einem fast 15%igen Anteil am weltweiten Automarkt im Jahr 2050 aus.

Quellen

Carter, D and Wing, J (2013)
(). The fuel cell today industry review (2013). [Online]. Available at: http://www.fuelcelltoday.com/media/1889744/fct_review_2013.pdf. Fuel Cell Today.
Hart, David and Lehner, Franz and Jones, Stuart and Lewis, Jonathan and Klippenstein, Matthew (E4tech) (2019)
(). The fuel cell industry review 2018.
International Energy Agency (IEA) (2018)
(). Key world energy statistics 2018. OECD Publishing.
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