Warum ist es notwendig Energie zu speichern, und für wie lange?

Wie bei allen Konsumgütern erfolgen auch bei der Energie die Erzeugung und der Verbrauch für gewöhnlich zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Es bedarf daher einer temporären Speicherkapazität für eine Dauer von mehreren Stunden bis zu mehreren Wochen. Wir legen auch Energiereserven von mehreren Monaten an, um eventuelle Versorgungsunterbrüche wettmachen zu können. Ausserdem verfügen wir im Sommer über überschüssige Energie, die wir so weit wie möglich speichern müssen, um sie im folgenden Winter verwerten zu können, wodurch wir unsere energiewirtschaftliche Abhängigkeit vom Ausland reduzieren.

Die permanente Verfügbarkeit von Energie ohne unvorhergesehene Ausfälle ist eine Grundvoraussetzung für das gute Funktionieren der Industrieländer. Jeder Versorgungsunterbruch zieht sehr hohe Kosten nach sich, nicht nur auf wirtschaftlicher, sondern auch auf sozialer Ebene (Wohlbefinden, Gesundheit, Sicherheit).

Flüssigkeiten können einfach gelagert werden, was die Versorgungslogistik von Treib- und Brennstoffen sehr erleichtert. Wir lagern Benzin und Diesel an verschiedenen Punkten der Versorgungskette, inklusive der Tankstellen und Treibstofftanks der Autos. Ausserdem unterhält die Schweiz, wie alle Länder, strategische Lager von Treib- und Brennstoffen, um im Falle eines Importunterbruchs seine Versorgung während mehrerer Monate sicherzustellen [→ F22].

Die Stromspeicherung stellt eine besondere Herausforderung für die Versorgung dar, weil diese Energie nicht als solche gespeichert werden kann. Darum muss jederzeit so viel Strom produziert werden, wie im gesamten Netz verbraucht wird. Da die Nachfrage ständig schwankt, muss die Produktion auf Ebene des Gesamtnetzes ständig nach oben oder unten angepasst werden. Mit den neuen, unregelmässigen erneuerbaren Energien (Solar- und Windenergie) variiert die Produktion auch in Abhängigkeit von den meteorologischen Bedingungen. Für einen erfolgreichen Ausgleich von Angebot und Nachfrage ist es also unabdingbar, eine ausreichende Produktionskapazität „in Reserve“ zu haben. In der Praxis handelt es sich hierbei um eine gewisse Anzahl an Kraftwerken, die im Bedarfsfall sofort zugeschaltet werden können. Das wird als „Regelkapazität“ bezeichnet. In einem liberalisierten Markt werden diese Anlagen, die dem Netz ihre Produktionskapazitäten zur Verfügung stellen, dafür bezahlt, nicht zu produzieren. Die nicht produzierenden Kraftwerke werden nach einem Versteigerungssystem vergütet, das den „Regelmarkt“ definiert. In der Schweiz sind 6% der Leistung ständig „im Stand-by“ und stehen als „Regelkapazität“ zur Verfügung.

Sollte sich diese Regelkapazität als ungenügend erweisen (sehr seltene kritische Situation), so würden uns die Nachbarländer mit ihrer eigenen Regelkapazität zu Hilfe kommen. Da das Netz zusammengeschaltet ist, hat niemand ein Interesse daran, dass ein Teil des Systems ausfällt, weil das kritische Auswirkungen auf das gesamte Netz in Europa haben könnte. Wenn es zu einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage kommt (z. B. wenn ein Elektrizitätswerk ausfällt oder eine Hochspannungsleitung durch einen umgefallenen Baum unterbrochen wird) führt dies zu einer plötzlichen Spannungsänderung, die auf einem Teil des Netzes einen Stromunterbruch verursachen kann, mit dem Risiko einer Ausbreitung ins gesamte System.

Es kann auch die umgekehrte Situation auftreten, d. h. wenn die Stromerzeugung über dem Verbrauch liegt. Dies ist insbesondere in der Nacht der Fall, wenn die Nachfrage stark sinkt, aber gewisse Kraftwerke (insbesondere Kernkraftwerke) ihre Produktion aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht unterbrechen können. Der Strom muss also abgeführt werden, um Spannungsabweichungen zu vermeiden. Da der Strom nicht gespeichert werden kann, besteht die einzige Lösung darin, ihn in eine andere, lagerfähige Energieform umzuwandeln. Genau das passiert in den Schweizer Pumpspeicherkraftwerken [→ F66], wobei aber auch Pilotanlagen existieren, die darauf abzielen, diesen Strom in synthetische Brennstoffe zu verwandeln [→ F74]. Wenn keine Speicherkapazitäten zur Verfügung stehen, muss dieser Überschussstrom irgendwie verbraucht werden, wenn man diesen nicht verlieren möchtet. Dies ist ein Grund dafür, warum die belgischen Autobahnen die ganze Nacht beleuchtet bleiben, auch wenn diese Verschwendung in den letzten Jahren etwas zurückgegangen ist.

Schliesslich verfügen wir im Sommer über grosse Energieressourcen, die im Allgemeinen unseren Bedarf während dieser Jahreszeit übersteigen (Solar-, und Wasserkraft, Abwärme). Es ist möglich, sie für den nächsten Winter zu speichern. Diese saisonale Speicherung, die wir bereits in geringerem Mass mit unseren alpinen Staudämmen praktizieren, die aber noch ausgebaut werden könnte [→ F76], stellt eine sehr attraktive Strategie für die Erhöhung unserer relativ geringen Energieunabhängigkeit dar [→ F20].

Quellen

Association des entreprises électriques suisses (VSE/AES) (2012)
(). Contributions des technologies de production à l’approvisionnement en électricité et à la stabilité du système électrique.
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