Warum exportieren wir den von uns produzierten Strom und importieren den von uns verbrauchten Strom?

Die Schweiz exportiert einen Gutteil ihrer Stromerzeugung, und zwar im Wesentlichen aus wirtschaftlichen Gründen. Sie profitiert so von der betrieblichen Flexibilität ihrer Pumpspeicherkraftwerke (Staudämme). Diese Anlagen können sehr rasch angefahren werden und sind daher einerseits von zentraler Bedeutung für das Management von Schwankungen im Tagesverlauf und ermöglichen es ausserdem, Strom dann zu produzieren und zu exportieren, wenn die Nachfrage und damit auch die Preise am höchsten sind.

Betrachten wir zur Illustration das Jahr 2010. In diesem Jahr hat die Schweiz 63,7 TWh Strom produziert und 64,2 TWh verbraucht. Wenn man nur diese Jahresbilanz betrachtet, könnte man denken, dass die Schweiz im Strombereich praktisch autark ist, weil sie nur 0,5 TWh Strom importiert, um den Unterschied zwischen ihrer Produktion und ihrem Verbrauch zu decken. Die Realität sieht ganz anders aus [→ siehe Abb. unten]. Die Schweiz hat im Jahr 2010 67 TWh importiert, was sie zur fünftgrössten Stromimporteurin der Welt macht. Das ist erstaunlich für ein Land dieser Grösse. Es gibt hierfür drei Erklärungen.

Erstens können aus der Jahresbilanz keine aussagekräftigen Schlussfolgerungen über die Stromautarkie gezogen werden. In der Realität weist die Schweiz in den Sommermonaten einen Produktionsüberschuss von durchschnittlich 4 TWh und während der Wintermonate ein Defizit zwischen 2 und 5 TWh auf [→ F11]. Der sommerliche Produktionsüberschuss wird exportiert (weil er nicht gespeichert werden kann) [→ F75] und das winterliche Defizit muss durch Importe kompensiert werden. Die Schweiz musste also im Jahr 2010 zur Deckung ihres Strombedarfs 5 TWh (und nicht 0,5 TWh) importieren.

Zweitens importiert die Schweiz dank ihrer Pumpspeicherkraftwerke [→ F15] seit Jahrzehnten billigen Überschussstrom, der in der Nacht in Europa produziert wird. Mit diesem Nachtstrom wird Wasser in die hochgelegenen Stauseen gepumpt und dann am nächsten Tag in Turbinen verstromt und exportiert, wenn die Nachfrage und die Preise hoch sind. Die Stromerzeugung aus Pumpspeicherung lag zwischen den Jahren 2000 und 2013 bei 2,5 TWh pro Jahr. Dabei streichen die Schweizer Elektrizitätsunternehmen Gewinne ein, die sich im Jahr 2010 auf 1,3 Milliarden Franken beliefen. Dieses Geschäftsmodell wird derzeit stark in Frage gestellt, und zwar aufgrund des Ausbaus der unregelmässigen erneuerbaren Energien (Solar- und Windenergie) und durch den sehr niedrigen CO 2-Preis, der es Kohlekraftwerken ermöglicht, sehr billigen Strom zu produzieren [→ F70].

Drittens dient die Schweiz aufgrund ihrer geografischen Lage im Herzen Europas als Transitachse für den transeuropäischen Stromverkehr, insbesondere in Richtung Italien. Etwa 10% des europäischen Stroms fliessen durch die Schweiz.

Man sieht also, dass hinter den Import- und Exportflüssen in und aus der Schweiz v. a. eine wirtschaftliche Logik steht.

Quellen

International Energy Agency (IEA) (2018)
(). Key world energy statistics 2018. OECD Publishing.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2018)
(). Statistique suisse de l’électricité 2018. OFEN.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2019)
(). Statistique globale de l’énergie 2018. OFEN.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2019)
(). Statistique des aménagements hydroélectriques. [Online]. Available at: www.admin.ch/gov/fr/accueil/documentation/communiques.msg-id-71338.html.
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