Sind die erneuerbaren Energien konkurrenzfähig?

Die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien hängt von der angebotenen Energiedienstleistung ab. Die Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energien ist insgesamt rentabel. Biotreibstoffe und „grüner Strom“ hingegen sind in Bezug auf die Produktionskosten noch nicht wettbewerbsfähig. Sie werden durch zweckgewidmete Unterstützungsmechanismen (Subventionen, Steuervorteile) konkurrenzfähig gemacht.

Die Biomasse wird seit Urzeiten für die Wärmeerzeugung genutzt. In der Schweiz heizen fast 3% der Bevölkerung ohne jegliche Subvention mit Holz (Scheiter, Hackschnitzel, Pellets), weil diese Option mit Erdgas und Heizöl konkurrieren kann. Dasselbe gilt für Wärmepumpen. Thermische Solarkollektoren hingegen, die im Wesentlichen für die Brauchwarmwasser- Erzeugung genutzt werden, sind nur in neuen Gebäuden konkurrenzfähig und profitieren von Subventionen für ihre Installation auf bestehenden Gebäuden.

Die Produktion von Biotreibstoffen ist im Allgemeinen nach wie vor bedeutend teurer als jene von fossilen Brennstoffen (Benzin, Diesel, Erdgas). In der Schweiz sind sie aber trotzdem oft konkurrenzfähig, weil sie von der Mineralölsteuer befreit sind, der die fossilen Treibstoffe unterliegen. In der Europäischen Union gewinnen Bioethanol und Biodiesel Marktanteile, und zwar aufgrund der von den 28 Mitgliedsstaaten eingegangenen Verpflichtung, bis 2020 10% der Energie für den Verkehrssektor aus erneuerbaren Energien zu decken [→ F89].

Im Jahr 2014 betrugen die Kosten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wie folgt: 16-30 Rappen pro kWh für die Photovoltaik (Anlagen auf Hausdächern); 15-30 Rp/kWh für die Windkraft; 8-26 Rp/kWh für die Kleinwasserkraft; 12-20 Rp/kWh für die Biomasse (bei Nutzung der Abwärme) [→ siehe Abb. unten]. Die Strompreise auf dem europäischen Markt, dem die Schweiz angehört, schwanken aber zwischen 4 und 7 Rp/kWh. Man sieht also, dass der „grüne Strom“ aus der Schweiz bei Weitem nicht mit den gegenwärtigen Marktpreisen konkurrieren kann. Er kann also nur mit Unterstützung Marktanteile gewinnen. In der Schweiz spielt hierbei das Programm der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) eine zentrale Rolle, das im Jahr 2013 die Produktion von fast 1,4 TWh erneuerbarem Strom ermöglicht hat [→ F79].

In Wirklichkeit kauft die Mehrheit der Haushalte in der Schweiz ihren Strom zu einem weit höheren Preis: 18-28 Rp/kWh (inklusive Netznutzungsgebühren), d. h. weit mehr als die 4-7 Rp/kWh, die von den Stromverteilern an der europäischen Börse gezahlt werden. Es ist also heute möglich, unter günstigen Umständen erneuerbaren Strom unter dem Preis zu erzeugen, der den Endverbrauchern in Rechnung gestellt wird. In diesem Fall sprechen Fachleute davon, dass der erneuerbare Strom „Netzparität“ erreicht hat, was einen grossflächigeren Ausbau der erneuerbaren Technologien ermöglichen sollte. Wenn Verbraucher ihren Strom z.B. um 24 Rappen pro kWh kaufen und mit Solarpanelen selber Strom um 19 Rappen produzieren können, sind sie versucht, Letzteres zu tun. Umso mehr, weil die neue geltende Gesetzgebung ihnen dies ermöglicht (Recht auf Eigenverbrauch in der Energieverordnung des Jahres 2014).

Die seit einigen Jahren laufende Liberalisierung des Strommarktes könnte diese Logik gefährden. Heute sind Haushalte und kleine Unternehmen sogenannte „abhängige“ Kunden. Sie können weder ihr Stromversorgungsunternehmen noch den bezahlten Preis wählen (18-28 Rp/kWh). Mit der für 2018 angekündigten Liberalisierung werden die Endverbraucher zunehmend die Möglichkeit haben, Strom auf dem offenen Markt zu beziehen und dank dem Wettbewerb zwischen Produzenten von potenziell tieferen Preisen zu profitieren. Das ist für die Grossunternehmen der Fall, die bereits Zugang zu diesem Markt haben und deren Stromrechnung um 25 bis 30% gesunken ist – auf 13-18 Rp/kWh (inklusive Nutzungsgebühren). Somit kann erneuerbarer Strom nicht konkurrieren, weder mit den Strompreisen an der Börse (4-7 Rp/kWh), und noch nicht einmal mit den von den Grossverbrauchern bezahlten Preisen (13-18 Rp/kWh).

Die erneuerbaren Energien stehen vor der Herausforderung, ihre Kosten weiter zu senken. Das erfolgt im Wesentlichen über eine Verbesserung der Technologien und in geringerem Masse durch eine Senkung der Marktpreise in der Schweiz mittels einer Stärkung des Massenmarktes. Insbesondere aber durch die Gebäudeintegration, wenn bei einer Gebäuderenovierung Dachziegel oder Fassadenelemente durch Photovoltaikmodule ersetzt werden, womit die Kosten der Bauelemente (Dachziegel, usw.) entsprechend reduziert werden und die effektiven Kosten der Solar- kWh nochmals um 20 bis 30% sinken.

Die erwartete Preissteigerung für CO2-Emissionen auf dem europäischen Markt wird die Strommarktpreise nach oben treiben. Eine solche Entwicklung wird eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Optionen ermöglichen, weil diese nicht direkt CO2 ausstossen [→ F65] und darum nicht von den CO2-Preisschwankungen betroffen sind [→ F83].

Quellen

AWP-ATS (2019)
(). Le conseil fédéral tient a libéraliser le marché électrique. [Online]. Available at: www.bilan.ch/economie/le-conseil-federal-tient-a-liberaliser-le-marche-electrique.
Commission fédérale de l’électricité ElCom (2019)
(). Commission fédérale de l’électricité ElCom. [Online]. Available at: www.prix-electricite.elcom.admin.ch/Start.aspx?lang=fr.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2013)
(). Prix du marché selon art. 3f, al. 3, OEne Déterminant pour le calcul du supplément RPC sur la base des prix pondérés en fonction du volume (SWISSIX base) et avec prise en compte du taux de change..
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2017)
(). Rétribution de l’injection (RPC) pour petites installations hydrauliques et installations éoliennes, géothermiques et de biomasse - Fiche d’information à l’intention des responsables de projets.
THE EUROPEAN PARLIAMENT AND THE COUNCIL OF THE EUROPEAN UNION (2009)
(). DIRECTIVE 2009/28/EC OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL of 23 April 2009 on the promotion of the use of energy from renewable sources and amending and subsequently repealing Directives 2001/77/EC and 2003/30/EC. Official Journal of the European Union, 140. 16–62.
Veigl (2015)
(). Rapport annuel 2014 - Fondation Rétribution à prix coûtant du courant injecté RPC.
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