Rationalisiert die Industrie ihren Energieverbrauch?

Die Industrie hat Schwierigkeiten, ihr bedeutendes Energiesparpotenzial zu nutzen. Die Umsetzung von Energieeffizienzmassnahmen ist sehr stark an die wirtschaftlichen Bedingungen (Energiepreise, Kosten der CO2-Emissionen usw.) sowie die spezifischen Verfahren der unterschiedlichen Sektoren gebunden.

Lösungsansätze für die Rationalisierung des Energieverbrauchs in der Industrie sind zahlreich vorhanden. Jedoch bremsen Hindernisse die Umsetzung, die dringend notwendig wäre.

Das erste Hindernis ist organisatorischer Natur. Abgesehen von sehr energieintensiven Unternehmen ist die Energieeffizienz kein dringendes Anliegen für die Führungskräfte. Dadurch werden nur wenige Verbesserungsanstrengungen unternommen.

Die zweite Schwierigkeit ist betrieblicher Natur. Sie resultiert aus der Art der Produktionsverfahren, die sehr oft im Kurzzeitbetrieb erfolgen, v. a. in der chemischen Industrie oder der Lebensmittelindustrie. Die Anlagen werden eingeschaltet, ausgeschaltet, wieder eingeschaltet usw., was die Nutzung der Abwärme für Heizungs- oder Trocknungszwecke erschwert, weil diese Prozesse oft nicht gleichzeitig ablaufen.

Die dritte Schwierigkeit ist wirtschaftlicher Natur. Die Mehrheit der Energieeffizienzlösungen wirft erst innerhalb eines Zeitraums von 4 bis 7 Jahren eine Rendite ab. Das ist zu lang für Industrieunternehmen, die Investitionen oft nur dann zustimmen, wenn das investierte Kapital nach maximal 3 Jahren eine Rendite abwirft. Diese Zurückhaltung erklärt sich einerseits aus der Unsicherheit bezüglich des langfristigen Erfolges ihrer Produkte auf dem Markt und andererseits aus der Tatsache, dass die Unternehmen ihre finanziellen Ressourcen primär in die Verbesserung der Produktqualität und die Verlässlichkeit der Produktionsverfahren investieren, auf Kosten einer rationelleren Energienutzung.

Ausserdem benötigt die pharmazeutische Industrie für jede Verfahrensänderung zur Energieeinsparung im Allgemeinen lange Genehmigungsverfahren, die die Rentabilität der vorgesehenen Sanierungsmassnahmen ernsthaft gefährden können. In der Lebensmittelindustrie stellt die Angst vor Auswirkungen auf die geschmackliche Qualität der Produkte ein zusätzliches Hindernis für die Realisierung von Energieeffizienzmassnahmen dar.

In Bezug auf Strom liegt die Schwierigkeit darin, Verbesserungspotenziale auf einfache Art zu identifizieren. Dafür müssten externe Fachleute hinzugezogen werden, was oft schwierig zu rechtfertigen ist, weil es nicht sicher ist, dass ihre Kosten durch die Einsparungen der zu tätigenden energetischen Sanierungsmassnahmen gedeckt werden können.

Die Energieeinsparungen sind sehr eng an die wirtschaftlichen Bedingungen gebunden. Sie müssen daher die Betriebszuverlässigkeit der Verfahren berücksichtigen, und zwar gemäss unterschiedlichen Parametern, je nach Sektor. In der Regel sind Einsparungen von 10 bis 20% relativ leicht erreichbar, darüber hinausgehende Einsparungen (bis 30%) erfordern aber viel umfassendere Untersuchungen und Investitionsentscheidungen.

In der Schweiz wird die langfristige Verbesserung der Energieeffizienz der energie- und CO2-intensiven Industriebetriebe durch Energiesparverträge mit dem Bund oder den Kantonen gefördert. Diese Zielvereinbarungen, die auf eine Senkung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen abzielen, können unter der Schirmherrschaft und Kontrolle der Energie- Agentur der Wirtschaft (EnAW ) abgeschlossen werden. Dieses Programm trägt bereits Früchte, weil die im Durchschnitt realisierten Stromeinsparungen der EnAW -Mitglieder in 8 Jahren 8% erreicht haben. Die EnAW schätzt, dass bis 2050 80% der Schweizer Unternehmen die empfohlenen Massnahmen umgesetzt haben sollten.

Für multinationale Unternehmen kann ein auf die einzelnen Branchen (Zement, Chemie, Pharma usw.) abgestimmter, vergleichender Wettbewerb („Benchmarking“) eine bedeutende Lenkungsrolle zugunsten der Energieeffizienz spielen.

Quellen

Agence de l'énergie pour l'économie (AEnEC) (2019)
(). Economies de coúts et d’énergie. [Online]. Available at: https://enaw.ch/fr/.
Muller (2007)
(). Web-based tools for energy management in large companies applied to food industry. Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL).
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2018)
(). Directive - Conventions d’objectifs conclues avec la Confédération et visant l’amélioration de l’efficacité énergétique.
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