Können die mit der Tiefengeothermie verbundenen Risiken beherrscht werden?

Das ist nicht sicher. Es muss noch aufgezeigt werden, dass wir die finanziellen und technologischen Risiken dieser Energiequelle in den Griff bekommen – wie z. B. das Risiko der Auslösung von Erdbeben, insbesondere mit Pilot- und Demonstrationsprojekten. Die Tiefengeothermie bleibt aber eine potenziell sehr interessante Energiequelle im Schweizer Kontext und die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen sollten fortgesetzt werden, um die Risiken eindämmen zu können.

Die Tiefengeothermie ist eine Form erneuerbarer Energie mit geringen Klima- und Umweltauswirkungen und begrenztem Bodenverbrauch. Sie sollte daher grundsätzlich auf gute Akzeptanz von Seiten der Bevölkerung und Umweltschutzorganisationen stossen. Die Tiefengeothermie weist aber finanzielle und technologische Risiken auf, die bis dato ihren Durchbruch in der Schweiz verhindert haben. Zur Veranschaulichung ist es angebracht, zwischen zwei Technologien der Nutzung von geothermischer Wärme zu unterscheiden: hydrothermale und petrothermale Systeme.

Die hydrothermalen Systeme nutzen Wasser mit hoher Temperatur (100-300 °C), das natürlicherweise im Untergrund vorhanden ist. Diese Technologie, die in geringer Tiefe Anwendung findet, ist ausgereift und in der ganzen Welt in Regionen mit starker tektonischer oder vulkanischer Aktivität sehr weit verbreitet, welche von hohen Temperaturen in Oberflächennähe profitieren [→ F61]. Die Herausforderung in der Schweiz ist aber von ganz anderer Tragweite, weil man hier 3 bis 5 km bohren muss, um genügend hohe Temperaturen für die Stromerzeugung vorzufinden. Die Ungewissheit bei solchen Bohrungen ist sehr gross, weil geologische Bedingungen, die die Präsenz von grossen Wassermengen ermöglichen, mit der Tiefe stark abnehmen. Ein Projekt im Kanton St. Gallen musste im Jahr 2013 aus wirtschaftlichen und technischen Gründen abgebrochen werden, weil die in 4 km vorgefundenen Wassermengen zehnmal niedriger waren als angenommen, was keine rentable Nutzung erlaubt hätte. Ausserdem haben die Bohrarbeiten ein kleines Erdbeben der Stärke 3,5 auf der Richterskala ausgelöst. Dieser Misserfolg hatte zur Folge, dass mehrere hydrothermale Projekte in der Schweiz auf Eis gelegt wurden.

Bei der petrothermalen Geothermie muss man kein Wasser in grosser Tiefe finden, weil das Wasser von der Oberfläche in einem ersten Bohrloch in den Untergrund gepumpt und dann nach seiner Erwärmung in einem zweiten Bohrloch hochgepumpt wird. Das begrenzt die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit der Erforschung des Untergrunds beträchtlich. Diese Technologie ist aber noch nicht marktreif und es besteht ein Mikro-Erdbeben-Risiko, wenn bei der ersten Bohrung durch das Einpressen von Wasser künstliche Klüfte geschaffen werden. Genau ein solches Erdbeben der Grösse 3,4 hat nach dreijähriger Projektphase im Jahr 2009 zur definitiven Einstellung des Geothermieprojekts in Basel geführt.

Die petrothermale Technologie ist im geologischen Kontext der Schweiz am vielversprechendsten und hat das mit Abstand grösste Potenzial. Es wird wahrscheinlich mehrerer Pilotprojekte bedürfen, um ihre technische Machbarkeit aufzuzeigen und die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Gefahr von Erdbeben beherrscht werden kann, bevor man auf eine industrielle Entwicklung in grossem Massstab hoffen kann. Derzeit ist weltweit kein einziges petrothermales Kraftwerk in Betrieb. Es gibt nur erfolgreich abgeschlossene Forschungs- und Entwicklungsprojekte, wie jenes von Soultz-sous-Forêts im Elsass.

Quellen

Baisch, Stefan and Carbon, David and Dannwolf, Uwe and Delacou, Bastien and Devaux, Mylène and Dunand, François and Jung, Reinhard and Koller, Martin and Martin, Christophe and Sartori, Mario et al. (2009)
(). Deep heat mining basel: seismic risk analysis. SERIANEX Group, Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt, Basel.
Géothermie Soultz (2019)
(). Le portail dédié à la géothermie : tout savoir. [ONLINE]. Available at: https://geothermie-soultz.fr/.
st.gallen (2019)
(). Das geothermie-projekt der stadt St.Gallen. [ONLINE]. Available at: www.geothermie.stadt.sg.ch/projekt.html.
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