Kann man in der Schweiz noch Staudämme bauen?

Das Potenzial der Wasserkraft wird bereits zu 90% genutzt. Folglich ist es wenig wahrscheinlich, dass grosse Speicherdämme gebaut werden können, und zwar sowohl wegen fehlender Standorte als auch aufgrund ihrer Umweltauswirkungen. Es könnten höchstens noch einige grosse Laufwasserkraftwerke gebaut werden. Das verbleibende Potenzial liegt im Wesentlichen im Ausbau der Leistung bestehender Kraftwerke sowie in der Kleinwasserkraft.

Die Wasserkraftwerke produzieren Strom mit der Kraft des sich bewegenden Wassers. Die Produktionskapazität eines Wasserkraftwerks steht daher in direktem Zusammenhang mit der verfügbaren Wassermenge (dem Durchfluss) und der Fallhöhe (je grösser die Fallhöhe des Wassers, desto mehr Kraft hat es zum Antrieb der Turbinen).

Wir alle kennen die grossen, oft spektakulär aussehenden Staudämme, die in den Talschlüssen der Alpentäler errichtet wurden. Diese sogenannten Speicherseen speichern das Wasser in künstlichen Seen in grosser Seehöhe. Wenn die Wassereinläufe geöffnet werden, strömt das Wasser durch Druckleitungen bis in die Talebene, wo Turbinen die während dem 1000 – 1500 m hohen Fall gewonnene Energie in Strom umwandeln.

Die Schweiz zählt 85 grosse Speicherkraftwerke, wovon sich 21 im Wallis, 22 in Graubünden, 11 im Tessin, 11 im Kanton Bern und zwei im Kanton Waadt befinden. Der grösste Staudamm der Schweiz, Grande Dixence im Wallis, ist 285 Meter hoch. Der älteste, Rütiweiher im Kanton St. Gallen, ist beinahe 170 Jahre alt.

Die Möglichkeiten zum Bau neuer Speicherkraftwerke in der Schweiz sind fast ausgeschöpft. Hingegen ist es möglich, bestehende Staudämme zu erhöhen oder zu vergrössern [→ F76], und zwar dort, wo dies nur begrenzte Umweltauswirkungen hat, wie bei der derzeit errichteten Staumauer am Muttsee (Glarus) – dessen 1 km lange Staumauer die längste Staumauer der Schweiz sein wird – und beim Vieux-Emosson- Staudamm (Wallis). Ein neues Potenzial könnte auch durch das Abschmelzen der Gletscher entstehen, die in gewissen Fällen Gletscherseen mit potenziell interessanten Speichermöglichkeiten hinterlassen könnten. Auch wenn derzeit einige solcher Projekte untersucht werden, ist dieses Potenzial gegenwärtig noch sehr schwer abzuschätzen [→ F14].

Das Potenzial beschränkt sich bei Weitem nicht nur auf Speicherkraftwerke, welche nur etwa 50% unserer heutigen Wasserkraftproduktion ausmachen. Die andere Hälfte kommt im Wesentlichen aus sogenannten „Laufwasser“-Kraftwerken, die an wasserreichen Flüssen in tieferen Höhenlagen liegen. Sie nutzen Fliesswasser zur Stromerzeugung und verfügen daher über fast keine Produktionsflexibilität. Die Schweiz verfügt über 559 Laufwasserkraftwerke. 136 davon liegen am Rhein, 126 an der Rhone, 65 an der Reuss, 103 an der Aare und 72 an der Limmat.

Im Gegensatz zu den Speicherkraftwerken gibt es bei den Laufwasserkraftwerken noch ein gewisses ungenutztes Potenzial. In der Schweiz könnten noch etwa fünfzehn grosse Laufwasserkraftwerke gebaut werden, wodurch unsere Stromerzeugung aus Wasserkraft um 1,4 TWh erhöht werden könnte. Die Grosswasserkraft – die alle Werke mit einer Leistung von mehr als 10 MW umfasst – produziert derzeit durchschnittlich 32 TWh Strom pro Jahr. Bei vollständiger Nutzung des verbleibenden Potenzials könnten 35 TWh produziert werden, was einer Steigerung von 10% entspricht. Diese Prognosen wurden in einer jüngeren Studien auf Grund des neuen Gesetzes zum Schutz von Wasserläufen nach unten korrigiert. Das maximale Potenzial wurde für eine Produktion zwischen 36 und 37,5 TWh/a auf nur 1560 GWh pro Jahr geschätzt. Diese Zahl beinhaltet jedoch nicht das Potenzial der Kleinwasserkraft, die zu den erneuerbaren Energien zählt [→ F57]. Ausserdem werden neue Wasserschutzanforderungen (Erhöhung der Restwassermengen in den Flüssen) bis 2050 zu einem auf 1,5 TWh geschätzten Rückgang der Jahresproduktion führen.

Quellen

Association des entreprises électriques suisses (VSE/AES) (2014)
(). Grande hydraulique - Document connaissances de base.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2019)
(). Statistique des aménagements hydroélectriques. [Online]. Available at: www.admin.ch/gov/fr/accueil/documentation/communiques.msg-id-71338.html.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2019)
(). Potentiel hydroélectrique de la Suisse - évaluation du potentiel de développement de la force hydraulique dans le cadre de la Stratégie énergétique 2050.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2012)
(). Potentiel hydroélectrique de la Suisse - évaluation du potentiel de développement de la force hydraulique dans le cadre de la Stratégie énergétique 2050.
Schleiss (2007)
(). l’hydraulique suisse: Un grand potentiel de croissance par l’augmentation de la puissance. Bulletin SEV/AES, 2. 24–29.
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