Kann die Anzahl der Fahrgäste in den Zügen noch gesteigert werden?

Sie kann! Das SBB-Projekt „Bahn 2030“ sollte es ermöglichen, die Kapazitäten zu erhöhen und die Engpässe zu beseitigen – ohne Senkung der Zuverlässigkeit und Sicherheit.

Das Schweizer Bahnnetz ist bereits jetzt das gefragteste Bahnnetz der Welt. Jeden Tag fahren fast eine Million Menschen Zug. Die Schweizer Bevölkerung ist führend im Zugfahren und legt die weltweit grösste Pro-Kopf-Distanz zurück: mehr als 2‘400 km pro Person und Jahr, über 400 km mehr als Japan. Parallel dazu werden täglich etwa 200‘000 Tonnen Güter mit dem Zug transportiert. Die hohe Annahme durch die Bevölkerung resultiert aus mehreren Faktoren: ein attraktives Angebot, eine dichte Abdeckung des Staatsgebietes, ein hoher Grad an Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit und ein einheitliches Tarifsystem.

Die Modernität des Rollmaterials und der Infrastruktur tragen viel zu diesem Erfolg bei. Das Eisenbahnnetz kann übrigens mit massiven Investitionen in die Beseitigung der Engpässe und in neue Technologien seine Kapazität noch steigern. Die Strategie des Bundesrats für die Entwicklung des Bahnverkehrs sieht drei aufeinanderfolgende Etappen vor:

  1. Vervollständigung des Knotensystems ^[Das zentrale Element von Bahn 2000 war die Einführung des Knotenprinzips. Dieses sieht vor, dass stündlich bzw. halbstündlich Züge in alle Richtungen in den (Knoten-)Bahnhöfen stehen, was es ermöglicht, ohne Zeitverlust umzusteigen. Die Züge fahren dann zum nächsten Knoten weiter, wo dann wieder alle Züge abfahrbereit sind] durch einen durchgehenden Taktfahrplan (bis 2020)
  2. Erhöhung des Verkehrsangebotes, Erweiterung der Beförderungskapazitäten (bis 2025)
  3. Erhöhung der Geschwindigkeit auf ausgewählten Strecken (bis 2040).

Jede dieser drei Etappen (durchgehender Taktfahrplan, erhöhtes Verkehrsangebot und Einführung der Hochgeschwindigkeit) ermöglicht eine Steigerung der Leistung des Bahnverkehrs. Dies wird zu einem Zuwachs der Zugfahrgäste führen – zu Lasten der Strasse (im nationalen Verkehr) und der Kurzstreckenflüge (im internationalen Verkehr): Der Verkehr wird also auf andere, konkurrierende Verkehrsträger verlagert.

Diese Entwicklung wird einen bedeutenden Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs im Verkehrssektor leisten. Züge verbrauchen pro beförderte Person für die gleiche Strecke im Durchschnitt viermal weniger Energie als ein Auto (inklusive der Verluste im Zusammenhang mit der Stromerzeugung und -übertragung).

Die Anzahl der Bahn-Fahrgäste wird aber wahrscheinlich schneller steigen als ihre Kapazität, was den Komfort in den Stosszeiten eventuell reduziert. Die Eisenbahnunternehmen schaffen immer mehr Anreize für Reisen ausserhalb der Stosszeiten. Auch makroökonomische Massnahmen, wie flexiblere Arbeitszeiten oder die Telearbeit ermöglichen eine Entlastung des Eisenbahnnetzes zu den Stosszeiten [→ F37]. Die Situation gleicht jener des Stromnetzes, das man mit verschiedenen Laststeuerungsmassnahmen (im Englischen: demand side management, DSM) zu entlasten versucht [→ F78].

Quellen

Conseil fédéral (2012)
(). Message relatif à l’initiative populaire «Pour les transports publics» et sur le contre-projet direct (Arrêté fédéral portant règlement du financement et de l’aménagement de l’infrastructure ferroviaire, FAIF).
LITRA (Service d'information pour les transports publics) (2019)
(). Les transports en chiffre - Edition 2019.
Office fédéral des transports (OFT) (2010)
(). Rail 2030 désengorge le réseau ferré: plus de trains, plus de places assises, plus d’espace dans les gares. [Online]. Available at: www.admin.ch/gov/fr/accueil/documentation/communiques.msg-id-32347.html.
Tuchschmid (2010)
(). Calculateur en ligne - mobitool. [Online]. Available at: www.mobitool.ch/fr/outils/calculateur-en-ligne-15.html.
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