Bedrohen die erneuerbaren Energien die Rentabilität der Schweizer Stromunternehmen?

Im Laufe der letzten 20 Jahre hat der Stromsektor dank der grossen Staudämme, die es ihm ermöglicht haben, in Zeiten starker Nachfrage viel teuren Spitzenstrom zu produzieren und an unsere Nachbarländer zu verkaufen, Milliarden von Franken Nettogewinn eingefahren. Die Verbraucher haben davon teilweise während Jahrzehnten durch im europäischen Vergleich mittlere Strompreise profitiert. Allerdings gefährden die sehr niedrigen Kosten für CO2-Emissionen, die derzeitige Überkapazität der Stromerzeugung in Europa und die grossen Mengen erneuerbarer Energie dieses Geschäftsmodell.

Mit der zunehmenden Produktion bedeutender Mengen an Solar- und Windstrom in Europa finden sich die auf dem Exportmarkt aktiven Schweizer Stromunternehmen mit einer weniger günstigen Situation als früher konfrontiert. Die Einspeisung von grünem Strom ins Netz hat zu einem starken Rückgang der Nachfrage nach Spitzenstrom geführt, was sich auch auf den Preis auswirkt. Diese Situation spitzt sich insbesondere zu Mittag zu, dem Zeitpunkt des täglichen Spitzenverbrauchs: Heute wird dieser Bedarf oftmals durch Solarstrom sichergestellt, der genau zu dieser Tageszeit eine maximale Leistung liefert.

Die Verteiler kaufen den Strom zu Preisen, die je nach Tageszeitpunkt, Tag und Jahreszeit in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage stark schwanken, während die Schweizer Haushalte für ihren Strom einen Fixpreis zahlen, der je nach Verteiler zwischen 18 und 28 Rappen pro kWh liegt, inklusive der Übertragungskosten und der Abgaben (diese zwei Elemente machen mehr als die Hälfte der Kosten aus). Der ins Netz eingespeiste grüne Strom führt zu einer Überkapazität, die zu einer Preissenkung des von den Verteilern gekauften Spitzenstroms beiträgt. So ist der Preis für Spitzenstrom seit 2008 um mehr als ein Drittel gefallen – von durchschnittlich fast 11 Rappen auf weniger als 6 Rappen pro kWh im Jahr 2014, nachdem er im Jahr 2010 kurzfristig einen Spitzenwert von 15 Rappen erreicht hatte.

Für dieses Phänomen gibt es eine zweifache Erklärung. Einerseits wird der grüne Strom überall in Europa subventioniert, wodurch er konkurrenzfähig wird [→ F89]. Andererseits geniesst der grüne Strom auf dem Netz Vorrang, d. h. dass die Betreiber sind verpflichtet, zuerst Strom aus den Solar- und Windkraftanlagen zu kaufen, die an ihr Netz angeschlossen sind.

Die Bruttomargen der Kraftwerke, die traditionellerweise den Spitzenbedarf abdeckten, insbesondere die Wasserkraftwerke in der Schweiz und die Gaskraftwerke in Europa, sind in der Folge seit 2008 eingebrochen, wodurch die Rentabilität des Sektors sank. Die bedeutenden Investitionen für den grünen Strom, die derzeit notwendig sind, um die Ausbreitung der erneuerbaren Energien zu fördern, haben also zu einer Verzerrung auf dem Strommarkt geführt und die traditionelle Geschäftsmodelle in der Schweiz und in Europa auf den Kopf gestellt.

Der grüne (Solar- und Wind-)Strom deckt indessen nur 7% der gesamten Stromerzeugung in Europa ab. Man kann ihn also nicht alleine für den drastischen Preisverfall verantwortlich machen. Die Wirtschaftskrise und die ausgeprägte Überkapazität in Europa (v. a. in der Nacht) haben einen bedeutenden Beitrag zur Senkung des Marktpreises des Stroms geleistet. Ausserdem ermöglichen die derzeit sehr niedrigen CO2-Preise den Kohlekraftwerken, sich geschickt aus der Affäre ziehen, indem sie Strom zu konkurrenzlosen Preisen produzieren, ohne sich um ihre Klimaauswirkungen kümmern zu müssen. Der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung liegt heute in Deutschland bei 45%: eine paradoxe Situation für den europäischen Leader bei den Erneuerbaren!

Das beeinträchtigt die Rentabilität der Wasserkraftwerke und dasselbe gilt für die Pumpspeicher- kraftwerke, weil es sich um dieselben Produktionsinfrastrukturen handelt. Gerade die Pumpspeicher werden aber immer notwendiger, weil wir vermehrt Speicherkapazitäten für die fluktuierende Solar- und Windenergie brauchen.

Es ist zwar schwierig festzustellen welcher Faktor in welchem Ausmass für diese verschiedenen Auswirkungen verantwortlich ist, dafür ist die Lösung einfach zu finden: eine Erhöhung der Preise der CO2-Emissionen! [→ F83].

Quellen

Commission fédérale de l’électricité ElCom (2019)
(). Commission fédérale de l’électricité ElCom. [Online]. Available at: www.prix-electricite.elcom.admin.ch/Start.aspx?lang=fr.
Office fédéral de l'énergie (OFEN) (2013)
(). Prix du marché selon art. 3f, al. 3, OEne Déterminant pour le calcul du supplément RPC sur la base des prix pondérés en fonction du volume (SWISSIX base) et avec prise en compte du taux de change..
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